Liebe Freunde,
während um 360 Bischof Wulfila Teile der Bibel für seine westgotischen Zeitgenossen übersetzt während im Jahre 543 auf der Synode von Konstantinopel die endzeitliche Erwartung einer Versöhnung und universalen Harmonie zwischen Schöpfer und Geschöpfen verworfen wird und während um dieselbe Zeit die Hunnen in Osteuropa einfallen, die ansässigen Völker verdrängen und eine große Völkerwanderung auslösen, ( unter anderem auch der Langobarden, die bisher ziemlich friedlich in meinem Heimatort Bienenbüttel und Umgebung lebten, sich dann aber entschlossen, in das wärmere Norditalien zu ziehen und während in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts die Menschen in derselben dünn besiedelte Gegend damit zu tun hatten, sich in den dichten Wäldern zurecht zu finden,erlebte das heutige Südmexiko (Yucatan) und das heutige Guatemala die Blütezeit einer Hochkultur – die Hochkultur der Maya.
Schon lange wollte ich die berühmten Pyramiden der Maya besuchen. Jetzt war es soweit. Anfang August sind Michael und ich von San José nach Cancun in Yucatan (Mexiko) geflogen. Am Internationalen Flughafen von Cancun kommen jedes Jahr Tausende von Touristen an. Cancun und seine südlichen Strände sind besonders während des nordeuropäischen Winters und vor allem über Weihnachten und Neujahr bei deutschen und skandinavischen Touristen begehrt.
Ich hatte schon von Deutschland aus ein Hotel in Cancun vorgebucht: das El Rey del Caribe im Zentrum von Cancun und in der Nähe des Hafens gelegen. Eines der älteren Hotels in der Stadt. Mit karibischem Ambiente und irgendwie orientalisch anmutender architektonischer Verspieltheit. Und freundlichen und hilfsbereiten Menschen, die uns willkommen hießen. Dieses Hotel – vermutlich aus den 60er Jahren – steht in krassem Gegensatz zu den kilometerweit aneinander gereihten Hotelkomplexen für den Massentourismus entlang der Küste, wobei die Hotels in Playa del Carmen im Mittelpunkt des touristischen Geschehens stehen. Eine breite Avenida führt an den zahllosen neuen Hotelbauten vorbei – und nirgendwo ist ein Zugang zu einem öffentlichen Strand.
Schließlich haben wir ein kleines Stückchen Strand entdeckt, an dem Einheimische badeten. Aber schon bei den ersten zwei Schritten ins Wasser war mir klar, dass jeder weitere Schritt böse enden könnte, denn es gab überall scharfkantige Korallen und kein Fleckchen Sandstrand. Und tatsächlich verlor ich beim vorsichtigen Waten durch das Wasser die Balance, strauchelte und hatte gleich eine blutende Wunde am Schienenbein. Auch Michael hatte danach die Lust am Baden verloren. Da ist es doch von Vorteil, wenn man eines der Touristen-Hotels mit garantiertem Sandstrand gebucht hat oder sich etwas sportlicher durch die Korallen bewegen kann als ich….
In Playa del Carmen haben wir uns für eine Woche einen Leihwagen gemietet und sind eamit gleich bis zur ersten großen Maya-Ruinenstadt: Tulum gefahren. Aber vielleicht sollte ich vorweg etwas zu den Maya sagen:
Die Maya-Kultur ist die bedeutenste Hochkultur Zentralamerikas. Die Zeit der Mayakultur wird eingeteilt in Prä-klassik (600 vor bis 200 n.Chr.), Klassik (200 – 900 n. Chr.) und Postklassik (bis zum Einfall der spanischen Eroberer im Jahr 1517. (Merkwürdigerweise ist uns durch die Erinnerung an 500 Jahre lutherische Reformation in diesem Jahr das Jahr 1517 (Thesenanschlag) ins Bewußtsein gekommen) . In dem selben Jahr erreichen die ersten spanischen Seefahrer die Ostküste von Yucatan. Schon vier Jahre später erobert Cortès Tenochitán, die Hauptstadt der Azteken. Auf den Trümmern der zerstörten Stadt entsteht Mexico-City.
Archäologisch wiederentdeckt wurde die Maya-Kultur erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Durch europäische Entdecker und Forscher. Das ausgedehnte Siedlungsgebiet der Maya zwischen Pazifik und Karibik war nie ein einheitlicher Zentralstaat (wie der aztekische), sondern eine kulturelle Hegemonie mit einheitlicher Sprache, aber mehreren konkurrierenden Stadtstaaten, die jeweils Vasallenstaaten hatten. Um das Jahr 700 begann ein rätselhafter Niedergang der Machtmetropolen, aber erst mit der spanischen Eroberung endete die Herrschaft der Maya.
Ökonomische Grundlage der Maya-Staaten war eine intensive Agrarwirtschaft und ein lebhafter Handel bis in den Norden des heutigen Mexiko und bis in den Süden in das heutige Honduras und Nicaragua. Die Maya hatten eine polytheistische Religion, die alle Lebensbereiche durchdrang mit der Vorstellung einer zyklischen Schöpfung und Zerstörung der Welt. Die Götter wurden besänftigt und ihre Gunst erbeten durch Opfer, die auf der Spitze der Pyramiden und Zeremonienplätze von Priestern dargebracht wurden. Auch Opferungen von Menschen (besiegten Feinden) und Selbstopfer waren verbreitet. In der Vorstellung der Maya wurden die ersten Menschen aus Mais-Masse erschaffen. Mais ist bei den Maya nicht nur Grundnahrungsmittel, sondern heiliger Urstoff des Lebens. Die kosmologischen Vorstellungen der Maya beruhen auf dem Urbild eines mehrschichtigen Universum, in dem die Erde zwischen „Ober- und Unterwelt“ die „Mittelwelt“ darstellt. Das Himmelsgewölbe mit den (Götter-) Gestirnen wurde bewohnt von der obersten Gottheit. Die Erde stellte man sich als eine im Urmeer zwischen Himmel und Unterwelt schwimmende Schildkröte vor. Eine zentrale Achse verband Ober-, Mittel- und Unterwelt – symbolisiert durch den „Weltenbaum“ oder auch durch eine Maispflanze.
Das Pantheon der Maya bestand aus Hunderten von Gottheiten für jeden Bereich des Lebens. Darunter: Der Regen- und Fruchtbarkeits-Gott Chaak, erkennbar an seiner Rüsselnase. Der Himmels- und Schöpfergott Itzama, erkannbar an seiner Hakennase. Der Todesgott Ak Puch, erkennbar an seinem Totenschädel. Als gott-ähnlich wurde auch der Ceiba-Baum verehrt.
Aus nur drei Zeichen, nämlich einem Punkt für die 1, einem waagerechten Balken für die 5 und einer Muschel für die 0 konnten die Maya in Kombination mit den sogenannten „Kopfzahlen“ (unterschiedliche bildliche Darstellungen von Köpfen) jede Zahl und Zahlenmenge darstellen (z.B.: drei waagerechte Balken und drei Punkte = 18). Dieses System ermöglichte auch Multiplizieren und Dividieren. Die Maya waren mathematische Genies und geradezu besessen von Zahlen, der kalendarischen Zeitbestimmung, dem Datieren von Ereignissen und der Genealogie von Herrschern. Keine andere Kultur der Erde hat ein genaueres und länger währendes Kalendersystem entwickelt! Und kein anderes Volk ganz Amerikas hat so versessen gebaut wie die Maya. Sie errichteten gewaltige Städte und atemberaubende Pyramiden. Alle Bauten sind von Gleichgewicht und Harmonie bestimmt. Wichtige Pyramiden oder Zeremonien-Tempel wurden exakt nach astronomischen Bezugspunkten ausgerichtet und Priester und Astronomen beobachteten von Türmen aus die Gestirne.
Tulum ist eine der wichtigsten Kulturstätten Mexikos und die meistbesuchte Mayastätte. Tulum beeindruckt durch seine einmalige Lage direkt über dem türkisfarbenen Meer. Tulum war der wichtigste Handelshafen der Maya und religiöses Zentrum , das dem Morgen- und Abendstern gewidmet war. Die blühende Handelsstadt profitierte durch ihre günstige Lage zwischen See- und Binnenhandel und besonders durch den Export von Honig. Die seertüchtigen Kanus der Maya erreichten Guatemala und Costa Rica. Zur Orientierung wurden entlang der Küste Bauwerke errichtet, auf denen nachts Leuchtfeuer brannten.
In dem unweit der Maya-Ruinenstätte gelegenen Städtchen Tulum herrscht ein buntes touristisches Treiben. Es gibt viele einfache Hotels und Hostels für Rucksacktouristen. Wir hatten keine Unterkunft reserviert und mussten uns eine Unterkunft suchen. Das war gar nicht so leicht, da viele Hotels schon voll belegt waren. Wir landeten schließlich in einem einfachen Hotel direkt an der Durchgangsstrasse. Schlicht, aber doch – hätte mein Grossvater gesagt. In jedem Fall mit einer frreundlichen Atmosphäre.
Am nächsten Tag fahren wir zunächst Richtung Süden an der Küste entlang bis Felipe Carrilo Puerto und dann nach Westen ins Landesinnere Richtung Oxkutzcab. Unser Eindruck ist, dass wir viele Stunden durch menschenleere, flache, fruchtbare Landschaft fahren. Hier wachsen viele tropische Früchte: Mangos, Avocados, Guaven und auch Orangenbäume.
Unterwegs machen wir in einem kleinen Ort eine Pause, um etwas zu essen. Im Kontakt mit den Eigentümern des kleinen Restaurants stellt sich heraus, dass sie indígenas sind: Maya. Zu meiner Überraschung sprechen sie – neben Spanisch – auch Maya als ihre Muttersprache. In Yucatan haben vor 150 Jahren einmal 90 % der Bevölkerung Maya gesprochen. Jetzt gibt es immerhin Grundschulen und ländliche Universitäten, in denen in Maya unterrichtet wird. Es ist eine Region, die für die Geschichte der Maya blutgetränkter Boden ist. Zum einen durch die mörderische spanische Eroberung im 16. Jahrhundert. Aber seit Mitte des 19. Jahrhunderts auch durch Maya-Aufstände gegen die mexikanische Zentralregierung.
Der sogenannte „Krieg der Kasten“ begann 1847 und endete erst 1935. Im Jahre 1848 – ein historisches Datum auch im Hinblick auf die erste deutsche Revolution! – kontrollieren die Maya praktisch die ganze Halbinsel Yucatan. Fünfundzwanzig Jahre zuvor (1823) haben sich Guatemala, Honduras, El Salvador und Honduras von Mexiko losgesagt und ihre Unabhängigkeit erklärt. Im Jahre 1836 löst sich Texas von Mexiko und erklärt seine Unabhängigkeit. Zehn Jahre später (1845) wird Texas von den USA annektiert. Es kommt zum Amerikanisch-Texanischen Krieg an dessem Ende Texas annektiert bleibt und Arizona, Neu-Mexiko und Kalifornien von Mexiko an die USA verkauft werden. Wiederum zehn Jahre später (1858) kommt es in Mexiko zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Konservativen und Liberalen. Im selben Jahr wird Benito Juarez erster, liberaler indigener Präsident Mexikos.
Es ist spät geworden, und wir halten Ausschau nach einer Unterkunft. In dem kleinen Städtchen Tekax finden wir ein Hotel. Es liegt an einem für diese Gegend typischen zentralen Platz, an dessen einem Ende die Kirche und am anderen Ende Verwaltungsgebäude stehen. Das Hotel strahlt den Charme der 60er Jahre aus. Es gibt einen zum Teil überdachten Innenhof. Von ihm gehen – über zwei Etagen – die Zimmer ab. Im Empfang stehen gemütliche, alte Polstermöbel und etliche geschmacksfreie Devotionalien. Die Zimmer haben Aircondition. Der Blick des müden Reisenden geht immer als erstes dahin. Ein Zimmer ohne Aircondition bei diesen Temparaturen würde eine schlaflose Nacht bedeuten.
Am folgenden Tag besuchen wir die kleine Stadt Mani – vielleicht der geschichtsträchtigste Ort der Region! Am 12. Juli 1562 war die große Plaza von Mani Schauplatz für ein Ketzergericht (auto de fé) , einen sogenannten Glaubensakt. Man schnitt den Ketzern die Haare ab und folterte sie zu Tode. Tausende von Maya-Kult- und Kunstgegenstände wurden als ídolos zerstört und unschätzbar wertvole Maya-Handschriften verbrannt. Nur drei Maya-Codices blieben übrig. Der Bischof von Yucatan, der das Morden angeordnet hatte, Diego de Landa aus Mérida bereute seine Tat später tief . Gegen seine Kirche begann er, sich für die Maya-Bevölkerung einzusetzen und damit, alles aufzuschreiben, was er von den Maya und ihrer Kultur wußte. Seine Niederschriften sind bis heute die wichtigsten Quellen der Mayaforschung.
Als wir vormittags auf dem großen Platz vor der wuchtigen Klosterkirche stehen, ist es schon sehr heiß. Die Menschen sitzen im Schatten draußen vor ihren Häusern und Geschäften. Ich spüre eine große Beklemmung in mir bei dem Gedanken, wie hier zahllose Menschen im Namen der christlichen Religion einem Massaker zum Opfer gefallen sind. Wir betreten die Klosterkirche. Wir sind allein. Wir betreten durch einen Seiteneingang die Gebäude des damaligen Klosters. In einem kleinen Hof sind mehrere Frauen versammelt, die Essen zubereiten. Im Gespräch mit ihnen erfahre ich, dass sie die tägliche Armenspeisung zubereiten. Auf dem Rückweg laufen uns Kinder über den Weg. Andere Kinder sitzen auf einer Türschwelle der Kirche und kichern, als sie uns sehen. So wunderbar, diese Kinder zu sehen. So viel Leben. So viel Hoffnung – trotz allem.
Auf unserer Rundreise besuchen wir die Mayastätten Kabah – mit seinem weitläufigen „Palast der Masken“ und Sayil – das einmal eine Stadausdehnung von mehr als drei Kilometern hatte. In der Mitte eines Frieses ragt eine wuchtige Chaak-Maske heraus mit der Darstellung des „Herabstürzenden Gottes“ (auch als „Bienengott“ bekannt). Wir besuchen Labna mit seinem berühmten Torbogen.
Und wir besuchen Uxmal – eine der beiden bedeutendsten Mayastätten der Yucatan-Halbinsel. Unübersehbar ragt vor uns die fast vierzig Meter hohe „Pyramide des Zauberers“ auf. Das Hauptmonument von Uxmal. Das höchste und mächtigste Bauwerk jedoch ist der 80 Meter breite Palast auf einer Seite des großen Platzes. Sein breiter Fries ist dekoriert mit unterschiedlichen Motiven: Palmen-Dächer, Schlangen, Jaguar-Köpfen und Chaak-Masken mit ihren Rüssel-Nasen. Der Ballspielplatz mit dem oben seitlich angebrachten Zielring ist schon von der Grösse her überwältigend. Die Spielbälle wurden aus der Latex-Milch (Kautschuk) der Castilla-Bäume gefertigt. Der Spielplatz war umgeben von hohen Prallmauern und die Spieler waren ausgestattet mit dicken Polstern, ähnlich wie bei Football- oder Eishockeyspielern, denn der Ball war trotz seiner Elastizität mehrere Kilo schwer. Kautschuk war in Europa ein bis dahin völlig unbekanntes Material. Ob das Ballspiel aber tatsächlich ein Spiel auf Leben und Tod war, in deren Folge die Verlierer geopfert wurden, ist nicht nachgewiesen.
Von Uxmal nach Mérida, der Hauptstadt des Bundesstaates Yucatan sind es eine Stunde Fahrtzeit. Mérida ist ein guter Ausgangspunkt , um in Tagesausflügen Sehenswürdigkeiten zu besuchen. Allerdings haben wir Mérida buchstäblich links liegen gelassen. Auf halber Strecke befinden sich mehrere Haciendas, deren Besitzer durch Yucatáns „Grünes Gold“ zu schnellem Reichtum gekommen sind. Während die peones als Tagelöhner auf den Sisal-Plantagen für einen Hungerlohn schufteten, haben sich die (weißen) Eigentümer prächtige Villen in M´ßerida bauen und es sich in der Stadt gut gehen lassen, wenn sie nicht gerade in ihren ebenso prächtigen Gutshäusern auf der Plantage waren.
Viele Jahre habe ich nun mit beim Segeln mit Tauwerk zu tun gehabt. Mir ist auch bekannt, dass der Name Reeperbahn daher kommt, dass hier lange Taue „gedreht“ wurden. Ich wusste wohl auch, dass Taue und Bindfäden aus Sisal hergestellt werden. Aber ich muss zugeben, dass ich bis dahin nicht wusste, woher Sisal eigentlich kommt. Aus den großen, schwert-artigen Blättern der Sisal-Agave werden hanf-artige Fasern gewonnen, die sich bestens zu Säcken, Matten, Teppichen und Tauen für die Schifffahrt verarbeiten lassen. Um das Jahr 1870 hatte Mérida das Weltmonopol für Sisal. Merida kam zu Wohlstand und hatte bald bessere öffentliche Einrichtungen als jede andere Stadt in Mexiko. Der Name Sisal stammt übrigens von der kleinen gleichnamigen Hafenstadt nördlich von Mérida. Von hier wurde Sisal in alle Welt verschifft. In den 50er Jahren begann jedoch der Siegeszug der synthetischen Fasern, und so schnell der Sisal-Boom gekommen war, brach er nach knapp 80 Jahren wieder zusammen. Aber für einige Familien reichte diese Zeit, um zu großem Reichtum zu kommen. Wer in den Anfängen des Sisal-Booms Geld hatte, um in die notwendigen Maschinen zu investieren, der hatte schnell ein Mehrfaches der Investition aus dem Anbau und der ersten Verarbeitung von Sisal erwirtschaftet. Die Maschinen kamen aus Europa, die billigen Arbeitskräfte waren vor Ort zu haben und die Exporte gingen in die USA und nach Europa, wo die Sisalfasern weiterverarbeitet wurden. Sisal und Jute wurden übrigens in der selben Zeit „entdeckt“ und auf ähnliche Weise genutzt. Es handelt sich jedoch um ganz unterschiedliche Pflanzen, die auch in unterschiedlichen Weltgegenden wachsen. Beide Pflanzen haben die Nutzung des heimischen Flachs und Hanf verdrängt.
Seit den 60er Jahren sind viele Sisal-Hacienden verfallen und die Maschinen, die man zur Verarbeitung von Sisal teuer importiert hatte, rosten vor sich hin. Aber einige größere Hacienden haben in ihren repräsentativen Räumen Restaurants eingerichtet und andere haben als touristische Attraktion ihre Hacienden in ein „Museumsdorf“ umgewandelt. Eine solche Hacienda haben wir besucht: Hacienda Sotuta de Peón. Diese ehemalige Hacienda bietet gleich alles an, womit man zu Geld kommen kann, um nicht alles dem Verfall preis zu geben: ein gutes Restaurant, ein luxuriöses Hotel und die Möglichkeit, auf dem ausgedehnten Gelände der Hacienda die Verarbeitung von Agaven zu Sisal an originalem Ort und mit originalen Maschinen kennen zu lernen. Das wollten wir sehen.
Und es war tatsächlich ein sehr interessantes Erlebnis! Bis heute gibt es ein verzweigtes Schienennetz auf der Hacienda. Wir nahmen teil an einer Fahrt durch die ausgedehnten Agavenfelder. Früher zogen kleine Dampfloks die Loren durchs weitläufige Gelände, auf denen die bis zu zwei Meter langen Blätter der Agave zu den Maschinen transportiert wurden, die dort die Blätter zu Fasern verarbeiteten, um dann in grossen Bündeln exportiert zu werden. Heute werden die Draisinen von einem Muli gezogen. Und statt der Agavenblätter werden jetzt Touristen durch die Plantage geschaukelt.
Durchgerüttelt und bereits etwas mürbe durch die Mittagshitze kamen wir am Ende der Tour an einem cenote an: Cenotes sind ganzjährig wasserführende , trichter- oder schüsselförmige Einbrüche im Kalkstein. Für die Maya waren die cenotes heilig, denn diese Wasserlöcher ermöglichten Ansiedlungen und viele wurden zu Kultstätten. Cenote ist die spanische Umformung des Maya-Wortes tz ónot. In manchen cenotes kann man baden. Darauf freuten wir uns sehr. In einem Badehäuschen legten wir unsere Kleidung ab und stiegen dann in Badekleidung, versteht sich hinab in den cenote bis vor uns türkisfarben und kristallklar das Wasser zum Baden einlud. Einfach herrlich! Und gleich neben dem Badehaus ein Kiosk mit Bierausschank und allen möglichen gesunden Säften und natürlich dem mexikanischen Nationalgetränk Tequila, der aus Agaven-Herzen gewonnen wird. Der Name Tequila geht auf das Maya-Wort ticulia zurück, denn die Maya waren es, die diesen Agavenschnaps „erfanden“. Das einheimische Bier Pulque ist ein leicht säuerlicher, weiß-schaumiger „Most“ , den man wegen der Vergärung nur frisch im Ausschank trinken kann. Pulque war einst ein ritueller Trank der Azteken. Heute ist Pulque ein billiges Arme-Leute Alkoholgetränk.
Als Abschluß und gleichzeitig Höhepunkt unserer Reise besuchten wir die berühmteste archäologische Maya-Stätte Yucatans: Chichén Itzá – um das Jahr 1000 der mächtigste Stadtstaat Yucatans. Doch schon zweihundert Jahre später endet die Herrschaft aus nicht geklärten Gründen. Mitte des 16. Jahrhunderts besetzen die spanischen Eroberer die Stadt, lassen sie jedoch verfallen. Jahrhundertelang liegt Chichén Itzá vergessen und zugewuchert. Erst zwischen 1920 und 1940 wird es durch archäologische Forschung wiederentdeckt.
Die Kukulkán-Pyramide auf dem großen Platz ist das eindrucksvollste Bauwerk und das Wahrzeichen von Chichén Itzá. Die Spanier nannten es El Castillo. Die Pyramide ist der wichtigsten Gottheit der Maya geweiht: kukulkán (Maya: kukul = Vogel und kan = Schlange). Die mit den Federn des Quetzal-Vogels geschmückte Schlange war die wichtigste Gottheit der Maya. Sie symbolisierte das Urwesen und die Grundlage allen Lebens. Bedeutsam war außerdem der Kult um den Regen- und Wassergott Chaak. Er ziert mit rüssel-artiger Nase und dekorativer (ursprünglich bunter) Maske viele Bauten in Chichén Itzá.
Am letzten Tag unserer eindrucksvollen Rundreise geben wir unseren Mietwagen wieder ab und übernachten noch einmal im Stadthotel El Rey del Caribe, in dem wir schon die erste Nacht nach unserer Ankunft in Cancun zugebracht hatten.
Und jetzt zur Vollendung der Revolution: Auf nach Kuba!
Viele Grüße,
Kurt Jürgen
Die meisten Informationen zu geschichtlichen und kulturellen Hintergründen habe ich dem Mexiko-Reiseführer, Reise- Know How, 2015,
Autor: Helmut Hermann, entnommen.