Liebe Freunde, so ist es bis jetzt weitergegangen:
Gestern habe ich an der Chorprobe in der Kirche teilgenommen. Ganz munter. Gott sei Dank habe ich mich nicht blamiert und das meiste vom Blatt singen können. Männerstimmen gab es – mit mir – drei: ein 80-jähriger ehemaliger Landwirt, der für BAYER in Costa Rica tätig war und
hier hängen geblieben ist. Er betreibt noch eine kleine Kaffeeplantage. Ich habe mich mit ihm verabredet, ihn und sein Frau zu besuchen und zur Kaffee-Finca rauszufahren – eine Stunde nördlich von San José im Gebiet des Vulkan Arenal . Beim Singen hat er sich vornehm zurückgehalten. Dafür hatte ich neben mir Achim sitzen, einen Bass-Kollegen, der aus Leibeskräften schmetterte. Er kommt ursprünglich aus Bayern…. Äußerlich eine etwas schwindsüchtige Gestalt. Er ist seit mehreren Jahren als Missionar (!) für die einheimische lutherische Kirche tätig – im Auftrag der bayrischen Landeskirche.
Die Gemeinde hat etwa 150 Mitglieder. Bei besonderen Ereignissen versammeln sich allerdings mehr interessierte Menschen. Immerhin gehört diese lutherische Kirche zum Lutherischen Weltbund und ist Partnerkirche der Bayrischen Lutherischen Landeskirche. Außerdem bekommt sie Unterstützung von Brot für die Welt.
Mein Sangesbruder Achim hat seit ein paar Jahren versucht, in die einheimische lutherische Kirche Grund reinzubringen: der korrupte Bischof musste gehen und in dem Zusammenhang wurde von den sieben Pastoren der Kirche und der Synode beschlossen, in Zukunft keinen Bischof mehr haben zu wollen. Sie haben sich statt dessen auf ein „synodal-presbyterianisches Präsidialsystem“ verständigt (ähnlich wie in der Kirche von Westfalen). Allerdings mit der
Besonderheit, dass immer abwechseln einer der Pastoren für drei Jahren den Präsidenten der Kirche macht. Ganz interessant. (Ich hätte das Bischofsamt beibehalten wollen. Ist doch ein schönes Amt. Aber mich hat ja keiner gefragt). Achim hat gestrahlt, als ich ihn fragte, ob ich ihn in seiner Arbeit einmal besuchen kann. Bin gespannt.
Heute Abend ist Kirchenvorstands-Sitzung. Mal sehen, wie das abläuft. Ich kann mich ja zurücklehnen und beobachten. Die KV-Vorsitzende, Frau Melchior fliegt morgen nach Deutschland. Zusammen mit drei anderen Menschen aus der Gemeinde. Die EKD hat Vertreter der deutschen Auslandsgemeinden zum Après-Kirchentag eingeladen, um gemeinsam mit evangelischen Schwestern und Brüder aus der Welt Luther zu begehen.
Am kommenden Sonntag ist Pfingsten – auch hier. Es wird einen Abendgottesdienst mit Abendmahl geben. Mein Vorgänger (wenn ich das einmal so sagen darf) hat – gemeinsam mit dem Kirchenvorstand – eine besondere Gottesdienstordnung kreativ geschaffen. Erstaunlich, wie man so feste liturgische Stücke wie z.B. „Allein Gott in der Höh sei Ehr´“ ohne weiteres kreativ ersetzen kann. (Ich fand das damals in Tansania im Gottesdienst mit den Massai oder in Südafrika in Eshowe irgendwie ganz anrührend, die Liturgie mitsingen zu können. Jetzt muss ich mit den Gottesdienstablauf noch einmal genau ansehen und musikalisch neu einüben….
Gestern hatte ich mit meinem Dienstwagen schon eine kleine Rundtour durchs Stadtviertel gemacht: Humboldt-Gymnasium, US-Botschaft und anderes. Heute morgen habe ich zunächst eine Spanisch-Lektion von Arascelli in der Küche bekommen. Danach sind wir im Einkaufszentrum gegenüber zusammen einkaufen gegangen. Anschließend bin ich mit dem Auto ins Zentrum gefahren und habe eine erste Besichtigung gemacht: zwischen Kathedrale und Nationaltheater.
Vor der Reise hatte ich gehört, dass San José langweilig sei und Costa Rica eigentlich nur aus Tropischem Regenwald, Vulkanen, Nationalparks und Stränden (karibisch und pazifisch) bestünde. Heute habe ich vom alten Zentrum der Stadt allerdings einen überraschend angenehmen Eindruck: voller Leben, schöne alte Gebäude und hundert Gelegenheiten, gut zu essen und zu trinken. Heute habe ich nur einen Teil des Zentrum besucht. In den nächsten beiden Tagen werde ich mir andere Teile des Zentrum vornehmen. Bin gespannt. Mit dem Auto durch das Verkehrsgewühl zu fahren ist schon prickelnd – aber auch nicht ganz anders als in Addis Abeba – bis auf die vielen Motorräder! Hier wimmelt es von Motorradfahrern in den Strassen. Sie drängeln sich in jede kleinste Lücke im Verkehr und man muss ständig auf sie achten.
Gerade ist die Kirchenvorstands-Sitzung beendet. Mit einem Gläschen Sekt, mitgebrachten Salaten und Gesprächen über dies und das. Eine Kirchenvorsteherin will versuchen, auch für mich eine Karte zum Sonntagskonzert im Nationaltheater zu bekommen. Ihre Mutter hat ein Abo. Wenn es eine Karte für mich gibt, werde ich von den beiden abgeholt und wieder gebracht. Am Sonntag Abend ist dann der Pfingst-Gottesdienst. Daran wird auch der deutsche Botschafter teilnehmen.
Morgen Vormittag soll ich im Kindergarten( gleich nebenan) auf Deutsch Geschichten vorlesen. Der von mir sehr gewünschte private Spanisch-Unterricht konkretisiert sich allmählich…. Hoffentlich bald. Wenn ich in der Gemeinde so wenig zu tun habe, lerne ich einfach Tag und Nacht Spanisch….
Viele Grüsse,
Kurt Jürgen